Földeák: Géza Maróczy - Leben und Lehren
Reihe: "Meilensteine des Schach" Band 14
Wenn es in der Schachwelt – wie in anderen Bereichen des Lebens – neben den 'leuchtenden Stars' so etwas gibt wie 'graue Eminenzen', so gehörte der Ungar Géza Maróczy zweifellos der zweiten Kategorie an. Womit – um Missverständnissen vorzubeugen – nicht etwa gemeint ist, dass er ein zweitklassiger Spieler war.
Denn immerhin erreichte er zu seiner besten Zeit etliche Siege und Spitzenplatzierungen bei den stärksten Turnieren – z.B. den 2.Platz in Nürnberg 1896 – zwar hinter Lasker, jedoch vor Tarrasch, Pillsbury, Janowski und Steinitz; den 1. Platz in Ostende 1905 vor Janowski und Tarrasch; den geteilten 1. Platz in Barmen 1905 gemeinsam mit Janowski vor Marshall usw.
Und so ist es kein Wunder, dass er neben Siegbert Tarrasch als würdigster Herausforderer des gelegentlich wankenden Weltmeisters Emmanuel Lasker gehandelt wurde. Dass es jedoch nie zu einem Weltmeisterschaftskampf kam, lag vor allem daran, dass Maróczy – im Gegensatz zu Lasker – berufstätig war und nur seinen spärlichen Urlaub zum Schachspielen nutzen konnte.
Seine geringere Bekanntheit lag womöglich an seinem Stil, der nicht auf Glanz und Gloria ausgerichtet war, sondern auf positionelle Präzision und geschliffene Endspielführung – eine Definition, die interessanterweise in heutiger Zeit dem Stil von keinem Geringeren als dem amtierenden 'Super-Weltmeister' Magnus Carlsen zugeordnet werden könnte.
Wie auch immer gelingt es dem Autor ganz vortrefflich, uns Géza Maróczy näherzubringen, und zwar nicht allein den Schachspieler und -lehrer, sondern vor allem auch den Menschen.
176 Seiten, kartoniert, Joachim Beyer Verlag
Rezension von Jörg Palitzsch im April 2018
Der deutsche Schachmeister Richard Teichmann hatte eine hohe Meinung über den ungarischen Großmeister Géza Maróczy. „Maróczy ist ein profunder Spieler und er spielt das Endspiel sehr gut. In seiner besten Form ist er ein sehr gefährlicher Gegner in dieser Art von Turnier“, sagte er 1911 am Rande des Internationalen Turniers in San Sebastián. Und José Raúl Capablanca, Schachweltmeister von 1921 bis 1927, erinnerte sich in einem Radiobetrag mit dem Titel „Lecciones elementales de ajedrez“: „Sein (Maróczys) positionelles Urteil, die höchste Qualität des wahren Meisters, war ausgezeichnet. Als sehr präziser Spieler und ausgezeichneter Endspielkünstler wurde er als Experte für Königinnenspiele berühmt.“ In der Serie „Meilensteine des Schach“ ist jetzt das 1971 erschienene Buch von Walter Árpád Földeák über den ungarischen Schachspieler Géza Maróczy in einer zweiten und überarbeiteten Auflage erschienen.
Géza Maróczy betrat 1895 in Hastings die internationale Schachbühne, er war damals 25 Jahre alt. Dieses Turnier dokumentiert bis heute in vielerlei Hinsicht einen Wandel im Schach. Weltmeister Wilhelm Steinitz hatte einige Zeit davor seinen Titel an den jungen Emanuel Laser verloren. Hastings war auch der Beginn von Kur- und Hafenstädten als Austragungsort von Turnieren, die bis dahin zumeist im Großstädten stattfanden. Auch die romantische Schachauffassung war in den Hintergrund gerückt, Strategie und Positionsspiel hielten Einzug.
Dies kam der schachlichen Rezeptur von Géza Maróczy sehr entgegen. Ihm war es möglich Schwächen zu überspielen, sie in eine Verteidigung zu drehen, die Initiative zu ergreifen und das Spiel so zu gewinnen. Er vertrat die Ansicht, eine solide Verteidigung könne dazu führen, dass der Gegner zu viele Risiken eingeht. Und Maróczy setzte auf Endspiele mit einer starken Dame, die ihm zeigte, welche Schwächen der Gegner hat. Als er 1905 das Turnier in Ostende gegen den Amerikaner Frank Marshall gewann, gaben ihm seine Zeitgenossen den Titel „Der Kaiser der Damenendspiele“.
In vielen Partien des Buches, die Autor Földeák zusammengetragen hat, lässt sich dieser Spielstil nachvollziehen. Géza Maróczy, so schreibt der slowenische Schach-Großmeister Milan Vidmar in seinen Schacherinnerungen, habe jedes Turnier mit dem Aufgebot all seiner Kräfte ohne zu wanken durchgekämpft und nur auf das Ziel, den ersten Preis, ausgerichtet.
So war es auch 1895 in Hastings: Für das Turnier wurden 22 Schachmeister zugelassen, um es zeitlich nicht zu lang werden zu lassen. Spielern, denen abgesagt wurde, spielten in einem parallel ausgetragenen Hauptturnier, das von Maróczy gewonnen wurde. 1924 setzte er sich in Hastings dann „regulär“ an die Spitze. Es wurde in zwei Gruppen gespielt. Mit Savielly Tartakower, der den Begriff der „Hypermodernen Schule“ prägte und Sieger der anderen Gruppe war, spielte Maróczy noch eine Partie, die remis endete.
Walter Árpád Földeák, der unter anderem 1952 das Buch „Hundert preisgekrönte Schachpartien“ vorgelegt hat, zeichnet in „Géza Maróczy – Leben und Lehren“ den schwierigen Lebensweg des Ungarn auf, der für kurze Zeit als ernstzunehmender Herausforderer des deutschen Weltmeisters Emmanuel Lasker galt. Nur war Maróczy, im Gegensatz zu Lasker, beruflich stark eingebunden und auch nicht mit den nötigen finanziellen Mitteln ausgestattet, die es ihm erlaubt hätten, sich ausschließlich auf das Schachspiel zu konzentrieren. Materielle Sorgen zwangen ihn, 1920 Ungarn zu verlassen, unter anderem verbrachte er die Zeit bis 1928 in Holland, Deutschland und Amerika. Inzwischen 50 Jahre nahm er immer noch an Turnieren teil, musste aber oft genug den jüngeren Spielern die ersten Plätze überlassen. 1928 kehrte er in seine Heimat zurück und unterstützte die ungarischen Meister bei den FIDE-Olympiaden und der Münchner Olympiade 1936. Danach zog sich Maróczy vom aktiven Spiel zurück und widmete sich seinen literarischen Tätigkeiten. Er führte Schachspalten in Zeitungen und analysierte dafür über 2000 Partien. Er veröffentlichte Schachbücher, darunter eine der besten Sammlungen der Spiele des amerikanischen Meisters Paul Morphy. Maróczy, Ikone des ungarischen Schachs und unermüdlicher Lehrmeister, starb 1951 mit 81 Jahren in Budapest. „Ich sterbe gern, denn die Welt ist so hässlich geworden“, soll er am Ende gesagt haben.
Der Beschreibung des Lebensweges schließt sich im Buch ein 73-seitiger Lehrteil mit rund 35 Partien an. Sie zeigen nicht nur die präzise Spielweise Maróczys, sondern auch seine analytische Urteilskraft über Partien, die er für die Zeitschriften Pesti Hirlap (Pester Journal) und Békés geschrieben hat.
Fazit: Géza Maroczy war um 1900 einer der besten Spieler der Welt. Das Buch von Walter Árpád Földeák beleuchtet die spielerische als auch menschliche Seite des großen Ungarns mit allem Respekt und wahrt so das Andenken an eine große Persönlichkeit.
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Meilensteine des Schach