Müller: Typisch Spanisch - Effektives Mittelspieltraining
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Produktinformationen "Müller: Typisch Spanisch - Effektives Mittelspieltraining"
186 Seiten, kartoniert Joachim Beyer Verlag
Rezension von Jörg Palitzsch im April 2025
Nach dem Damengambit, dem Königsgambit und der Französischen Verteidigung setzte der Hamburger Großmeister Karsten Müller die Serie "Effektives Mittelspieltraining" mit "Typisch Spanisch" fort. Und wieder einmal ging es ihm darum, dem Leser eine Einführung in die signifikanten Mittelspielstellungen diesmal der Spanischen Partie zu geben. Nicht als Eröffnungsbuch konzipiert, wählte der Autor die Methodik einer partiebasierten Analyse strategischer Grundelemente, die jede Eröffnung so typisch und unverwechselbar machen.
Einmal mehr wurden auf der Grundlage zur Spanischen Partie gehörender Zentrumsstrukturen zunächst über hundert Aufgaben präsentiert, die der Leser eingangs ohne didaktische Unterstützung zu studieren hat, um dann im Kapitel "Lösungen" auf die Kommentierung der ausgewählten Partien aus der Turnierpraxis zu stoßen.
Müller umgeht absichtsvoll die für die Eröffnungsliteratur gängige Einübung in die ersten zehn bis fünfzehn Züge, aufgegliedert in Varianten und theoretische Empfehlungen. Ziel seines Vorgehens ist es, direkt ins Mittelspiel zu springen, wo eigentlich erst die kritischen Fragen der strategischen Behandlung anstehen. Hier geht es vor allem um den Plan, Raum, Initiative und Drohungen aufzustellen, die den Gegner in die Bredouille bringen und die eigenen Stellungspotentiale verstärken sollen.
Klassische Strategiebücher sind nach diesem Muster aufgebaut. Der Lernende soll verstehen, wie Pläne entwickelt und umgesetzt werden. Müllers neuartiger Ansatz geht jedoch gezielter vor, indem er seine Arbeit auf eine einzige Eröffnung fokussiert und die wiederkehrenden Motive beim Übergang ins Mittelspiel umfassend darstellt. So wird sichergestellt, dass sich der Leser mit den konkreten spanischen Mittelspielstrategien auseinandersetzt und deren Inhalte und Vorgehensweisen vertieft.
Spezifika anderer Eröffnungen, die der Leser gar nicht erforschen will, weil er sie in seiner Praxis schlechterdings weder spielt noch anwendet, tauchen daher nicht auf. Sie sind vom Leser nicht erwünscht noch eingefordert. So entsteht ein gesondertes Strategiebuch mit den Feinheiten einer einzelnen Eröffnung, was den Blick des Lesers schärft und das Typische daran zu erkennen hilft.
Müllers Methode mag an den Kanten noch ungeschliffen sein, alles Neue braucht Erfahrung und Expertise, aber sieht man einmal davon ab, so hat dieser Weg des Erlernens vieles für sich. Er bündelt die strategischen Probleme und Anwendungsmöglichkeiten auf eine überschaubare Größe und schafft gleichzeitig für das Erstellen eines Plans ein Sortiment dienlicher Werkzeuge.
Studiert man stets nur Eröffnungen auf ihren strategischen Gehalt, die fürs eigene Repertoire nützlich sind, so erfüllt sich der Zweck eines Strategiebuchs am besten. Und auf diese Weise kommt der Leser in den Genuss eben eines effektiven Mittelspieltrainings.
Rezension von Andreas Wittek im Februar 2025
Der Schachjournalist und Großmeister Savielly Grigoriewitsch Tartakower (1887–1956) nannte die „Spanische Eröffnung" einmal sehr anschaulich „Spanische Folter". Er tat dies, weil sich die „Spanische Partie" grundlegend von den offenen Spielen – wie zum Beispiel Königsgambit, Italienisch, Evansgambit, Zweispringerspiel usw. – unterscheidet.
In den oben genannten Eröffnungen wird der feindliche schwarze König direkt angegriffen. Dort zielt der auf c4 postierte weiße weißfeldrige Läufer sogleich auf den Punkt f7. Der Zug von Weiß 3. Lf1–b5 jedoch, durch den „Spanisch" charakterisiert wird, eröffnet Weiß viel breitere Möglichkeiten der Spielgestaltung. Der Anziehende bricht keine Brücken hinter sich ab, legt die Partie sicher an und entwickelt lang anhaltenden positionellen Druck auf die gegnerische Stellung.
Die „Spanische Partie" oder „Spanisch" beginnt mit den Zügen:
1. e2–e4 e7–e5
2. Sg1–f3 Sb8–c6
3. Lf1–b5
In der „Spanischen Partie" tritt das Anliegen der modernen Eröffnungsbehandlung von Weiß deutlich in Erscheinung, durch Ausübung eines Drucks auf die zentralen Felder zu dauerhafter Initiative zu gelangen. Weiß vermeidet eine vorzeitige Aufhebung der Zentrumsspannung und folglich ebenso für ihn ungünstige Vereinfachungen und versucht, eine freie Entfaltung des Gegners zu verhindern.
So weit, so gut.
Das neue Schachlehrwerk von Karsten Müller mit dem Titel „Typisch Spanisch – Effektives Mittelspieltraining" ist ein eigens zugeschnittenes „Lernkompendium für das Mittelspiel der Spanischen Partie", es umfasst einhundertfünfundachtzig Seiten.
Auf den Seiten zehn, elf, zwölf gibt Müller exakt zwölf einzelne spezielle Schachdiagramme an, deren Bauernstrukturen / Zentrumsstrukturen er in seinem „Spanisch-Buch" detailliert darlegt: Es handelt sich ausschließlich um Stellungen, bei denen den weißen Bauern auf c3, d4 und e4 schwarze Bauern auf d6 und e5 gegenüberstehen, das heißt solche, die aus dieser Grundstruktur hervorgehen können.
Dieses „Mittelspielbuch des Spanischen" enthält einhundertzwei Mittelspielaufgaben, welche mit QR-Codes versehen sind.
Über QR-Codes sind zu allen von Müller ausgewählten einhundertzwei Partien bei Chessbase Schachdiagramme sowie eine Reihe wichtiger Varianten verknüpft. Dies bietet dem Schachinteressierten / der Schachinteressierten eine komfortable Möglichkeit, besondere Stellungen einer Partie wahlweise der schwarzen Seite oder der weißen Seite virtuell aufzustellen und genauer zu studieren.
Ein jeweils relativ ausführlicher Erklärungstext zu den einzelnen speziellen Mittelspielpartien ist in dem Lösungsteil des Schachbuchs von Müller auf den Seiten vierzig bis einhundertzweiundachtzig zu finden.
Zum Beispiel arbeitet Müller positionelle Feinheiten bei der konkreten Mittelspielstellung, in der von ihm besprochenen ersten Partie „Perrin - Cassard", Frankreich 2020, gut heraus. Müller weist hierbei auf ein wichtiges verstecktes taktisches Schlüsselmotiv von Weiß hin, welches für das Verständnis dieser Mittelspielpartie essentiell ist. Nach Müllers Einschätzung hätte Weiß in dieser Partie im sechzehnten Zug, durch ein Opfer des weißen weißfeldrigen Läufers auf dem Feld f7 „prächtige Kompensation ergeben", „wenn nicht sogar eine Gewinnstellung" herbeiführen können. (Seite 40, Müller) Der Endstand dieser Partie, zwischen Antoine Perrin und Maxime Cassard, ist nach neununddreußig Zügen ein Remis gewesen.
Da die Aufgaben ziemlich anspruchsvoll sind, handelt es sich um kein Anfängerbuch, sondern klar um ein Lehrwerk für Schachinteressierte einer höheren Stufe, das heißt, einer höheren Leistungsklasse. Müller gibt seine hauptsächliche Zielgruppe der Leser / Leserinnen dieses Schachbuchs, auf Seite sechs im Vorwort, mit einer Elo-Zahl von eintausendvierhundert bis zweitausend an. Nichtsdestotrotz kann ebenfalls ein Schachspieler / eine Schachspielerin mit weniger Wissen sich an diesen Aufgaben versuchen, wenn derjenige / diejenige dazu bereit ist, sich das für die Lösung / das Verständnis dieser Aufgaben notwendige schachliche Wissen in kleinen Schritten zu erarbeiten.
Diesen gedanklichen Hintergrund offensichtlich berücksichtigend, schreibt Müller auf Seite sieben (Zitat): „Und darum ein guter Rat – ganz gleich, welche Spielstärke Sie auf die Matte bringen. Nehmen Sie die Beschäftigung mit jeder einzelnen Aufgabe ernst, aber lassen Sie diese auf keinen Fall in Folter ausarten! Sobald Sie auf allzu große Hindernisse bzw. Widerstände stoßen, nehmen Sie sich einfach die Freiheit: Schlagen Sie die Lösung auf und funktionieren Sie das Testbuch in ein Lehrbuch um!"
In den frühen 90er Jahren gab es von Lothar Nikolaiczuk die Reihe "Gezielte Mittelspielstrategie", die sich jeweils mit Mittelspielen befasste, die nur einer bestimmten Eröffnung entsprungen waren. Diese mag GM Karsten Müller als Vorlage seine eigene Reihe zum "Effektiven Mittelspieltraining" gedient haben.
Nach den Ausgaben zu "Typisch Damengambit", "Typisch Französisch", "Typisch Sizilianisch" und "Typisch Königsindisch" widmet sich der Hamburger Großmeister aktuell der Spanischen Eröffnung, im englischen Sprachraum als "Ruy Lopez" bezeichnet.
Einmal mehr wendet sich Karsten Müller gezielt an die "Spezialisten" dieser Eröffnung und denen, die es werden möchten. Und das meine ich in diesem Fall auch sprichwörtlich so! Wie bei GM Müller üblich, wird derjenige schnell eines Besseren belehrt, der sich leichte Kost und kurzfristige Unterhaltung erhofft! Denn schon unmittelbar nach der Einleitung und der Darstellung der behandelten Bauernstrukturen (Achtung: die für die Abtauschvariante oder das Berliner Endspiel typische Bauernstruktur mit Lxc6 dxc6 wird noch außen vor gelassen!) geht es ab Seite 14 mit den 102 (!) Aufgaben ans Eingemachte!
Wie viel Arbeitsbuch auch in diesem Titel enthalten ist, wurde mir ziemlich schnell klar, denn die Aufgaben - zumeist der aktuellen Großmeisterpraxis entnommen - haben es in sich! Ich möchte wirklich ungern zugeben, wie lange ich allein an der Fragestellung zur Partie Heinemann-Baltic (2021) zu knabbern hatte, wo ich durchaus zwar den Lösungszug 18. Sce4 dxe4, 19. Ld2! fand, die finale Stellung nach ...exf3, 20. Lxb4 Le2 aber nicht korrekt einzuschätzen vermochte. Zu erkennen, dass 21. Dd2 mit der Idee 21. ...Te8, 22. Df4 für Weiß gewinnt, überschritt einfach meinen Visualisierungshorizont! Ein kleiner Trost war: Großmeisterin Josefine Heinemann entschied sich mit Ihrer Partiefortsetzung letztlich auch nicht ideal, gewann die Partie am Ende allerdings dennoch - wenn auch nach über 80 Zügen.
Spätestens hier sollte klar sein, dass der Leser von Müller einmal mehr aktiv gefordert und von ihm ein gewisses spielerisches Niveau vorausgesetzt wird. Karsten Müller möchte konkretes Wissen vermitteln, wiederkehrende, typische Mittelspielmotive aufzeigen und seinen "Schülern" dabei helfen, ihre Spielstärke zu steigern!
Wem die Fragestellungen allerdings zu komplex erscheinen, dem rät der Großmeister Folgendes: "Nehmen Sie sich einfach die Freiheit: schlagen Sie die Lösung auf und funktionieren Sie das Testbuch in ein Lehrbuch um!" Gesagt, getan! ;-)
Wie schon bei an früheren Titeln der "Typisch"-Reihe mag ich, dass die Partien nicht erst an der kritischen Mittelspielstellung starten. Stattdessen kann man die Züge, die zur Fragestellung führen, direkt am Brett oder dem Smartphone mittels QR-Code nachspielen, ohne die jeweilige Diagrammstellung mühsam aufbauen zu müssen.
Auch die Partienauswahl hat mir gefallen: Müller findet einen gesunden Mix der typischen spanischen Mittelspiel-Pläne der spanisch-Abspiele und kommentiert "to the point". Genau das ist effektives Mittelspieltraining!
Rezension von Jörg Palitzsch im Februar 2025
Das Buch „Typisch Spanisch – Effektives Mittelspieltraining“ von Dr. Karsten Müller ähnelt seinen bereits veröffentlichten Werken, wie zum Beispiel „Typisch Französisch – Effektives Mittelspieltraining“ und „Typisch Königsindisch – Effektives Mittelspieltraining“. Diese Bücher zeichnen sich durch ihre praktischen Übungsaufgaben aus, die das aktive Training fördern. „Typisch Spanisch“ ist ebenso aufgebaut und gibt wertvolle Einblicke in die Mittelspielstrategien der Spanischen Partie.
Das Mittelspiel in der Spanischen Partie ist eine besonders kritische Phase, da sie oft über den Ausgang der Partie entscheidet. Die Spanische Partie führt oft zu strategisch komplexen Stellungen, in denen es weniger um direkte Angriffe geht, sondern um das geschickte Manövrieren der Figuren.
Während Springer-Manöver, wie das berühmte „Springer-Manöver von Nimzowitsch“ bekannt sind, um den Springer auf ein stärkeres Feld zu bringen, geht es bei Müller zunächst nur um Stellungen, bei denen den weißen Bauern auf c3, d4, und e4 schwarze Bauern auf e5 und d6 gegenüberstehen.
Hilfreich ist das Buch, weil es neue Wege zur Zentrumskontrolle zeigt, wo Schwarz und Weiß im Mittelspiel um die Kontrolle insbesondere über die Felder d4 und e5 ringen. Weiß versucht oft, mit d2-d4 das Zentrum zu öffnen oder den Druck gegen e5 aufrechtzuerhalten. Schwarz setzt oft auf den klassischen Marsch …d7-d6 und …c7-c5, um Gegenangriffschancen zu erhalten.
Die Spanische Partie enthält viele taktische Motive, die im Mittelspiel eine Rolle spielen: etwa die Springergabeln (z. B. auf e5 oder d4), ein Figurenopfer auf e5 (vor allem für Weiß), den Bauernhebel mit d4 oder …d5 oder die Kombinationen mit f2–f4 oder …f7–f5, um das Zentrum zu öffnen.
Mit seinem Buch schließt der Autor ein Vakuum im Bereich der Mittelspiel-Literatur, die praktischerweise in eine Endspiel-Vorbereitung mündet. So führen viele Spanisch-Stellungen zu hochklassigen Endspielen, im Mittelspiel müssen Spieler daher ihre Bauernstrukturen so aufbauen, dass sie im Endspiel nicht nachteilig sind.
So ist das Mittelspiel der Spanischen Partie geprägt von strategischer Manövrierkunst, tiefem Positionsverständnis und einer gezielten Vorbereitung auf das Endspiel. „Typisch Spanisch“ hat 102 Aufgaben zu bieten, die sich über Codes aufs Handy laden lassen. Die Lösungen sind ausführliche kommentiert. Exakt an dieser Stelle wird das Lehrbuch zu einem richtigen Arbeitsbuch mit einem hohen Erkenntnisgewinn.
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