Müller: Typisch Französisch - Effektives Mittelspieltraining
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192 Seiten, kartoniert Joachim Beyer Verlag
Rezension von Uwe Bekemann im Juni 2024
Mit „Typisch Französisch“ hat der Joachim Beyer Verlag jüngst das dritte Werk aus der Feder von GM Karsten Müller in der Buchreihe „Effektives Mittelspieltraining“ vorgelegt. Nach der Sizilianischen Verteidigung und dem Damengambit geht es mit der Französischen Verteidigung um ein weiteres Schwergewicht in der Eröffnungslandschaft, für dessen Mittelspielbehandlung Müller den Leser präparieren will.
Alles im Werk dreht sich um die Mittelspielführung in Stellungen, bei denen die weißen Bauern auf d4 und e5 sowie die schwarzen auf d5 und e6 stehen sowie um Stellungen, die aus dieser Struktur entstanden sind. Schon auf den ersten Buchseiten werden dem Leser insgesamt 16 Diagramme präsentiert, die ihm die Bauernformationen aufzeigen, die in der Folge jeweils das Gerüst der Stellungen bilden.
Wie seine beiden Vorgänger ist „Typisch Französisch“ ein Arbeitsbuch, das den Leser zunächst zum eigenen Denken und Handeln anhält. Dieser soll gezielt und angeleitet Probleme zur Mittelspielführung lösen, so wie es auch seine Aufgabe in der eigenen Partie wäre. Im Unterschied zum Praxisduell werden ihm die Probleme in dieser simulierten Spielsituation allerdings aufgezeigt. Er lernt bzw. trainiert seine Fähigkeiten, indem er sich tief mit den verschiedensten Brettsituationen auseinandersetzt und seine Ergebnisse mit den vom Autor angegebenen vergleicht und diese dabei verinnerlicht.
Auf den Seiten 16 bis 44 stellen sich dem Leser insgesamt 110 Übungsaufgaben. Die Lösungen sind ab Seite 45 abgebildet. Für jede Aufgabe wird die Ausgangsstellung über ein Diagramm festgelegt. Dieses wird begleitet von einem QR-Code und natürlich der Nummer, unter der die Aufgabe und hinten die zugehörige Lösung geführt werden. Die meisten Aufgaben sind so gestaltet, dass der Leser die Antwort auf eine ganz konkrete Fragestellung zu ermitteln hat. Diese kann einen ganz spezifischen Aspekt aufgreifen, z.B. nach dem Muster „wie schmeckt eigentlich der Bauer auf d4?“, aber auch einen offenen Charakter haben, z.B. „wie kann Schwarz die aufkeimende weiße Initiative am Damenflügel eindämmen?“. Daneben gibt es in geringerer Anzahl auch Aufgaben, zu denen der Leser über die Angabe, welche Seite am Zug ist, kaum zusätzlich etwas erfährt. In diesen Fällen muss er quasi zunächst das Problem finden, bevor er es lösen kann.
Den genannten QR-Code kann der Leser einscannen, wenn er die Aufgaben online lösen möchte.
Die Lösungen präsentiert Müller mittels der vollständig abgebildeten 110 Partien, denen die Aufgaben als Ausgangsstellung entnommen sind. Diese sind so ausführlich kommentiert und hinsichtlich der erwarteten Lösung so gut erläutert, dass sie auch vom weniger erfahrenen Spieler gut nachvollzogen werden können. Auf welcher Buchseite die Lösung zu einer Aufgabenstellung zu finden ist, wird jeweils oben auf den Aufgabenseiten angegeben. So ist ein gezieltes Aufschlagen einfach möglich.
Persönlich sprechen mich solche Bücher zur Theorie und Praxis im Schach besonders an, die sich nicht als reines Sachbuch verstehen und deshalb meinen, mit einer nüchternen und phantasielosen Sprache daherkommen zu müssen. Und genau deshalb macht die „Arbeit“ mit einem Werk wie "Typisch Französisch" zusätzlich Spaß. Karsten Müller ist ein Meister auch der Erzählkunst in seinen Darstellungen zum Schach. Ein paar Zitate gefällig?
- In der Urform des vergifteten Bauern auf d4 – quasi dessen Kindergarten-Version – geht es ja um ein Abzugsmotiv des Läufers d3. Und wenn dieses wie im vorliegenden Fall nicht gegeben ist, muss man halt zusätzlich abklären, ob die taktischen Umstände nicht die Schaffung des tödlichen Motivs ermöglichen (Seite 50).
- Es ist leicht nachzuempfinden, dass seine Majestät sich in der Residenz im Ostteil seines Reiches nicht mehr recht wohlfühlte und dass ihr ein Tapetenwechsel geraten erscheint. Da allerdings nicht nur fünf tatendurstige Angreifer in diesen Bereich schauen, (…) (Seite 95).
- Gäbe es einen Preis für den misslungensten Franzosen, so dürfte der Schwarzspieler sich berechtigte Hoffnungen machen, diesen zugesprochen zu bekommen und ihn dann daheim auszustellen – gleich neben den Skalps von solchen Giganten wie Larsen, Euwe und sogar Botwinnik, die er diesen in der Tat einmal abgeknöpft bzw. abgetrennt hatte (Seite 106).
Die Partien, denen die Aufgabenstellungen entnommen sind, entstammen nicht allesamt aus der Meisterpraxis, sondern auch aus tieferklassigen Veranstaltungen. Sie sind nach Eignung ausgewählt worden, nicht unbedingt nach den Meriten der Spieler auf der höchsten Bühne.
Bisweilen geht Müller in den Erläuterungen auch darauf ein, was der „gefühllose Computer“ von einer Stellung hält. Die menschliche Komponente gibt aber auch dann den Ausschlag.
Die
Frage, über welche Spielstärke der Leser verfügen sollte, um gut
mit dem Werk arbeiten zu können, kann ich genauso wie zum
Vorgängerband zum Damengambit beantworten. Nach meiner Einschätzung
sollte ab dem einfachen Klubspieler jeder damit zurechtkommen. In
seinem Vorwort geht Müller darauf ein und zeigt auf, wie schwierig
es ist, ein Aufgabenbuch wie das vorliegende in eine Verbindung mit
Kategorien der Spielstärke zu bringen. Er rät: "… ganz
gleich welche Spielstärke Sie auf die Matte bringen. Nehmen Sie die
Beschäftigung mit jeder einzelnen Aufgabe ernst, aber lassen Sie
diese auf keinen Fall in Folter ausarten! Sobald Sie auf allzu große
Hindernisse oder Widerstände stoßen, schlagen Sie einfach die
Lösung auf und funktionieren Sie das Testbuch in ein Lehrbuch um."
Fazit:
„Typisch Französisch“ erlaubt als Praxisbuch ein gezieltes
Mittelspieltraining für Stellungen, die aus der Französischen
Verteidigung entstehen. Die gestellten Aufgaben sind vielseitig, die
Lösungen darauf sehr instruktiv. Wer die Französische Verteidigung
im Repertoire hat oder sie darin aufzunehmen gedenkt, wird von diesem
Buch profitieren können. Einen Mehrwert verspricht es auch dem
Spieler mit Weiß, der sich gegen das gegnerische Spiel gut
präparieren möchte.
Rezension von Stefan Liebig im April 2024
Betrachtet man das aktuelle Kandidatenturnier und auch viele andere prominente Turnierschauplätze, springen einem nicht gerade die Französisch oder Englisch eröffneten Partien ins Auge. Doch immerhin wählte der indische Jungstar Praggnanandhaa überraschend die französische Verteidigung, um gegen die Nummer 2 der Welt, Fabiano Caruana, zu bestehen. Die Partie endete Remis. Ob die beiden WM-Aspiranten zuvor das gerade im Joachim Beyer Verlag erschienene Buch „Typisch Französisch“ von Karsten Müller durchgearbeitet haben, mag man bezweifeln, doch sicher wird das Buch den dieser klassischen Verteidigung zugetanen Spielern viele neue Anregungen liefern.
Während zahlreiche Lehrbücher die Eröffnung behandeln, bleiben die spezifischen Strategien für das Mittelspiel oft unberücksichtigt. Die Wahl der richtigen Mittelspielstrategie ist für jeden Schachspieler von großer Bedeutung, daher hauchte der Verlag der Mittelspielserie der 1980er-Jahre wieder Leben ein. Nach Sizilianisch und Damengambit untersucht Müller nun Französisch. Er bietet eine umfassende Darstellung der Mittelspielstrategien, die sich aus der französischen Verteidigung ergeben. Er erläutert die typischen Stellungen, die aus dieser Eröffnung resultieren, und bietet detaillierte Analysen sowie praktische Übungen.
Das Buch beginnt mit einer Einführung in die Mittelspielstrategie und stellt die wichtigsten Themen vor, die im Zusammenhang mit der französischen Verteidigung stehen. Anschließend folgen über 100 Übungen, die dem Leser helfen, die Strategien aktiv zu verinnerlichen und anzuwenden. Mitdenken ist für den Leser dabei unabdingbar! Müller präsentiert vollständige Partien, die typische Mittelspielpläne und -motive veranschaulichen, und erklärt jeden Zug sowie mögliche Alternativen ausführlich.
Die praxisorientierte Herangehensweise und die Fokussierung auf das Wesentliche machen das Buch zu einem wertvollen Lehrmittel für jeden Schachspieler, der sein Verständnis für das Mittelspiel vertiefen möchte. Durch die Möglichkeit, die Partien direkt nachzuspielen, wird das Lernen zusätzlich erleichtert und effektiver gestaltet. Es ist ein unverzichtbares Buch für jeden Französischspieler, der seine Fähigkeiten im Mittelspiel verbessern möchte.
Großmeister Karsten Müller ist zurück! Nach seinen Mittelspielbüchern "Typisch Sizilianisch" und "Typisch Damengambit" widmet er sich diesmal der "wundervollen französischen Verteidigung" (John Watson)!
Wie es Lothar Nikolaiczuk bereits in den frühen 90er Jahren in der Reihe "Gezielte Mittelspielstrategie" tat, richtet sich das Buch Müllers gezielt an die Anhänger der jeweiligen Eröffnung, hier: der französischen Verteidigung.
Viele Mittelspielbücher versuchen, der Vielzahl ihrer Leser gerecht zu werden und bieten daher einen bunten Mix der unterschiedlichsten Mittelspiel-Formationen. Letztlich fallen dann vielleicht 6 bis 8 Beispiele auf das eigene Eröffnungsrepertoire ab, wohingegen die meisten Musterpartien aus anderen Eröffnungen entstanden sind - Eröffnungen, die man womöglich niemals spielt.
Großmeister Müller widmet sich an die "Spezialisten" einer jeweiligen Eröffnung. Aber Achtung: wer inhaltlich eher leichte Kost und kurzfristige Unterhaltung erwartet, wird schnell eines Besseren belehrt! Denn bereits unmittelbar nach der Einleitung geht es auf Seite 16 mit den 110 (!) Aufgaben los.
Spätestens hier wird klar, dass der Leser ein Arbeitsbuch in den Händen hält, das ihn konkret zum Mitdenken anregt, ihn aktiv fordert, statt passiv berieselt.
Wie in den vorangegangenen Mittelspiel-Büchern merkt man es dem Hamburger Großmeister an: er möchte konkretes Wissen vermitteln, wiederkehrende, typische Mittelspielmotive aufzeigen und seinen "Schülern" dabei helfen, ihre Spielstärke zu steigern und sehend auf ihre nächste Französisch-Partie vorbereitet zu sein.
Von Seite 45 bis 189 gibt es dann die vollständigen (!) 110 Partien zu den vorangegangenen Aufgaben mit ausführlichen Erklärungen an den kritischen Stellen. Auch mögliche Nebenlösungen bespricht GM Müller ausführlich und zeigt instruktiv auf, warum welcher Weg gewählt wurde oder hätte gewählt werden sollen.
Wie schon bei "Typisch Damengambit" und "Typisch Sizilianisch" gefällt mir besonders die Tatsache, dass die Partien nicht erst an der kritischen Mittelspielstellung beginnen. Vielmehr kann man alle Züge, die zur jeweiligen Fragestellung führen, am Brett oder Smartphone mittels QR-Code direkt nachspielen, ohne mühsam die jeweilige Diagrammstellung nachstellen zu müssen.
Auch die Partienauswahl hat mir gefallen: Müller schafft einen schönen Mix der möglichen und typischen Mittelspiel-Pläne der üblichen Französisch-Abspiele - Vorstoß-, Tarrasch- und 3. Sc3-Variante - und kommentiert aufs Wesentliche konzentriert. So sieht effektives Mittelspieltraining tatsächlich aus!
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