Zug um Zug : Schach - Gesellschaft - Politik

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Produktinformationen "Zug um Zug : Schach - Gesellschaft - Politik"

Begleitbuch zur Ausstellung im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bonn - 1. November 2006 bis 11. Februar 2007

Einführung

Als Otto von Bismarck Ende der 1850er Jahre mit seinem konservati­ven Mentor Leopold von Gerlach über das Wesen von Politik philosophierte, wählte der spätere Reichskanzler ein Bild aus der Welt des Schachs: Man könne nicht erfolgreich Schach spielen, "wenn einem 16 Felder von 64 von Hause aus verboten sind". Bismarck versuchte, mit diesem Bild seinem väterlichen Freund nahezu­bringen, dass ideologische Scheu­klappen auf die Verliererstraße führen müssen.

Dies ist eines von vielen historischen Beispielen für die enge Verknüpfung von Schach und Politik. Zu allen Zei­ten war Schach mehr als ein geist­voller Zeitvertreib. Stets rangen zwei Parteien - oft mit erbitterter Härte - um den Sieg. Das Schachspiel bot darüber hinaus eine Projektionsfläche für allegorische und symbolhafte Deu­tungen, spiegelte aber auch konkrete Ereignisse wider. So feiert der 1922 entstandene Porzellan-Figurensatz "Rote gegen Weiße" den Sieg der Kommunisten über die Kapitalisten. Die Analogie setzte sich auch auf dem Feld der Gesellschaft und der Politik fort, was ein Schachspiel Koalition - Opposition aus dem Jahr 1988 veran­schaulicht.

Als Spiel der Vernunft fordert Schach Tugenden, die Herrscher und Adel gerne für sich reklamieren. Schach galt bis in die Neuzeit als königliches Spiel, als Ausdruck höfischen Lebens. Seit dem 18. Jahrhundert entwickelte es sich immer mehr zum Spiel des Bürgertums. Ende des 19. Jahrhun­derts entdeckte die Arbeiterbewe­gung das Spiel für sich. In unserer modernen Gesellschaft wirkt Schach als Zeichen für die Zugehörigkeit zum "Geistesadel" weiter fort: Wer sich beim Schachspiel präsentiert, gilt als intelligent.

Das Schachspiel dient gesellschaft­lichen und politischen Zwecken. Es stärkt die Kombinationsfähigkeit und strategisches Denken. Seit der Aufklä­rung war Ziel, diese Eigenschaften zu fördern und pädagogisch zu nutzen, Arbeiterbewegung und Sozialismus wiesen dem Schach eine Rolle als geistige Übung im Klassenkampf zu. Unter ideologischem Vorzeichen ver­suchten die Nationalsozialisten, das Spiel zu instrumentalisieren.

In den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts erlangte das Schach­spiel besondere Bedeutung: Für viele Soldaten war es nicht nur im Schützen­graben, sondern vor allem in der Gefangenschaft Teil der Überlebens­strategie. Verfolgte der Hitler-Diktatur nutzten Schach als Mittel geistiger Selbstbehauptung gegenüber den An­griffen der Wärter in den Gefängnis­zellen und Konzentrationslagern. Noch heute berührt uns Stefan Zweigs "Schachnovelle", die diese Erfahrun­gen eindringlich vermittelt.

Im Kalten Krieg wurden die Schach­weltmeisterschaften zum personifi­zierten Kräftemessen der beiden Blöcke. Erinnert sei an das "Schach­duell" zwischen Bobby Fischer und Boris Spasski 1972, das wochenlang weltweit die Medien beherrschte. Heute verlaufen die Fronten ganz an­ders: Menschliche Intelligenz tritt ge­gen künstliche an. Der Computer mit scheinbar unerschöpflichen Möglich­keiten fordert das geistige Vermögen des Menschen auf besondere Weise heraus.

Diese historische Entwicklung und die vielfältigen Bezüge des Schachspiels zu Politik und Gesellschaft zu erkun­den, laden Ausstellung und der vorliegende Zeitgeschichte(n)-Band ein.

Dr. Hans Walter Hütter

Direktor Öffentlichkeitsarbeit


76 Seiten, gebunden, Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bonn

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