Müller: Bobby Fischer 60 beste Partien (gebunden)
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232 Seiten, gebunden, Joachim Beyer Verlag
Rezension von Christian Hoethe im September 2022
Den meisten Schachspielern ist Fischers Klassiker „Meine 60 denkwürdigen Partien“ natürlich ein Begriff. – Wozu braucht es also ein Buch, das auf den ersten flüchtigen Blick nur eine Wiederholung dessen darstellt? Als definitiver Fan von Fischers Spielweise muss ich gestehen, dass ich mich genau das fragte, als mir das Buch vorlag. Fasziniert war ich sogleich, als ich das Vorwort Karsten Müllers las und er dort dieselbe Frage stellte und sie direkt selbst beantwortete.
Dabei hat sich der bekannte Hamburger Großmeister und Autor Dr. Karsten Müller nicht nur die Mühe gemacht, das gesamte Schaffen Fischers neu zu beleuchten und die seiner Meinung nach 60 instruktivsten Partien des ehemaligen Weltmeisters einer kritischen Analyse zu unterziehen. Dabei hat er, unterstützt von den modernsten Computer-Engines der Welt, bemerkenswerte Entdeckungen zutage gefördert und interessante Schlussfolgerungen gezogen, die er mit seinen Lesern und allen Fischer-Fans teilen möchte.
Vielmehr bestand die erweitere Absicht des Autors auch darin, den Leser - frei nach Vidmar - in „goldene Schachzeiten“ zurückzuversetzen, in eine Zeit, in der Hängepartien üblich waren und sich kein Spieler mit einer Engine bewaffnet vor einer eigenständigen Analyse drücken konnte. All dies gelingt ihm anhand der zahlreichen im Buch enthaltenen Fotos überraschend gut, darunter nicht nur viele unbekannte Aufnahmen von Fischer selbst, sondern auch insbesondere von seinen durchweg namhaften Gegner. Ich muss gestehen, dass mir diese Art der schachhistorischen Nostalgie und persönlichen Note überaus gefallen hat.
Dieser Eindruck verstärkte sich zusätzlich beim Lesen des Geleitwortes von Großmeister Dr. Robert Hübner, das sich einerseits kurz mit dem „Mythos Fischer“, aber auch mit der Partienauswahl und -kommentierung durch Karsten Müller befasst. Die Entscheidung Karsten Müllers für ein „reines Schachbuch“ über Fischer wird dabei zu Recht als Kompliment Hübners an den Autor ausgedrückt.
Wer sich nun die Frage stellt, wie groß die Anzahl der Partien-Überschneidungen zu Fischers „Meine 60 denkwürdigen Partien“ ist, kann sich entspannt zurücklehnen, denn es gibt nur 16 derartige Fälle. Die übrigen 44 Partien hielt Karsten Müller aus anderen Gründen für instruktiver, zumal Fischers Werk auch im Jahr 1967 endet und Müller somit aus einem anderen Fundus auszuwählen vermochte.
Die Partiekommentare bleiben in der überwiegenden Zahl der Fälle angenehm auf das Wesentliche reduziert, so dass der rote Faden des Spielgeschehens nie verlorengeht und der Leser sich hervorragend von Müller durch die Partien geleitet fühlt.
Das Buch aus dem renommierten Joachim Beyer Verlag macht dank seiner Übersichtlichkeit und dem Hardcover einen sehr hochwertigen Eindruck. Wer sich einzelne oder gar alle Partien „to go“, sprich unterwegs, ansehen möchte, vermag dies anhand der QR-Codes, die sich über jeder Partie befinden.
Etwas schade und damit der einzige Kritikpunkt von mir ist, dass sich aufgrund des Druckbildes vereinzelt leere Seiten im Buch finden. Hier wären ggf. Kurzbiographien ausgewählter Fischer-Gegner möglich gewesen. Vielleicht ist das eine Anregung für die Zweitauflage?
Insgesamt ein ebenso gutes wie überraschendes Buch zu Fischer, das mit einer leichten und angenehmen nostalgischen Note daherkommt!
Rezension von Jörg Palitzsch im August 2022
Bobby Fischer war und ist eine Projektionsfläche und regt immer noch dazu an, sich mit ihm zu beschäftigen. 2014 kam der Film „Baueropfer – Spiel der Könige“ in die Kinos, Thema war der Kampf um die Weltmeisterschaft 1972 in Reykjavik, und im Knesebek-Verlag erschien jüngst eine Graphic Novel unter dem Titel „Bobby Fischer, Eine Schachlegende zwischen Genie und Wahnsinn“. Auch in zahlreichen Büchern steht Fischer im Mittelpunkt, er selbst hat unter anderem Lehrbücher veröffentlicht und das Werk „Meine 60 denkwürdigen Partien“ von 1957 bis 1967, noch vor seinem Sturm auf die WM-Krone.
Mit seinem Buch „Bobby Fischer, 60 beste Partien“ hat Schachgroßmeister und Autor Karsten Müller nun ein weiteres Werk dem Fischer-Universum hinzugefügt. Er hat 60 der instruktivsten Partien Fischers ausgewählt und mit verschiedenen neueren Engines geprüft, heißt es im Vorwort. Dabei seien zwar Fehler in alten Analysen aufgefallen, aber Fischers Partien würden ungeachtet dessen immer noch im alten Glanz oder noch heller strahlen. Denn selbst der strenge Blick von Spitzen-Programmen sei nur selten auf Fehler gestoßen, dementsprechend könne jeder Leser aus diesen Partien lernen, um seine eigene Spielstärke zu verbessern. Hilfreich sind QR-Codes, mit denen man jede der Partien, die von 1963 bis 1992 reichen, auf das Handy holen und nachspielen kann. Sieben der Partien sind aus dem Jahre 1972 gegen Boris Spasski in Reykjavik und sechs gegen Spasski von 1992 in Sveti Stefan/Belgrad.
Im Geleitwort betont Schachgroßmeister Robert Hübner, Müllers Arbeit sei vorzüglich dazu geeignet, einen ersten Zugang zu Fischers Meisterschaften zu gewinnen. Die Kommentare sind kurz und knapp gehalten, die wichtigsten Angaben der Rechner mitgeteilt und man wird nicht durch eine Unmenge von Varianten abgelenkt. Gleichwohl gibt es an einigen Stellen eine vertiefte Analyse, mit denen man die Gedankengänge hinter der Zügen nachverfolgen kann. Ein zusätzliches Plus sind die im Buch verteilten, rund 50 zum Teil ganzseitigen Fotos von Fischers Gegnern. Dazu kommen Zitate, die Fischers Spiel kommentieren. Dies lässt eine große Schachepoche mehr als erahnen, im Zusammenspiel mit den Partien kann man sich in eine Schachwelt vertiefen, die mit ihren Protagonisten und Bobby Fischer an der Spitze bis heute von ihrer Faszination nichts eingebüßt hat.
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