Müller, Engel & Rafiee: Spielertypen - Das Testbuch
22,80 €*
Versandkostenfrei
Sofort verfügbar, Lieferzeit: 1-3 Werktage
210 Seiten, kartoniert, Joachim Beyer Verlag
Rezension von Christian Hoethe im Februar 2023
Eines der faszinierendsten Themen der Schachliteratur der letzten zwei Jahrzehnte besteht für mich zweifellos in der richtigen Einordnung des eigenen Spielstils und den daraus resultierenden Schlussfolgerungen, Möglichkeiten und Potenzialen – ganz im Sinne der Aufforderung Erkenne Dich selbst! über dem Eingang des Apollo-Tempels in Delphi.
Im Jahr 2005 stellte der dänische Großmeister Lars Bo Hansen in seinem beachtenswerten Buch Foundations of Chess Strategy sein Konzept der '4 Spielertypen' vor. Darin unterteilte er Schachspieler in sogenannte Aktivspieler, Reflektoren, Pragmatiker und Theoretiker. In diesem Rahmen beschäftigte er sich intensiv mit der Frage, wie sehr der individuelle Spielstil Einfluss auf unsere Entscheidungsfindungen am Brett hat.
Hansen nannte dies The role of the human factor in chess und forderte seine Leser auf, den eigenen Schachstil anhand persönlicher Charakteristika und Vorlieben analog seiner Vorgaben zu definieren. Diese Eigenschaften wurden entsprechend der jeweiligen Spielertypen in den Kapiteln mit konkretem Inhalt gefüllt, so dass man sich letztlich selbst einem bestimmten Spielertyp zuordnen konnte. Ich fand dieses Herangehen damals durchaus aufschlussreich und nützlich.
Dieses sowohl in der Schachtheorie als auch in der Schachphilosophie vernachlässigte Thema interessiert mich seitdem wie kaum ein anderes, weshalb ich es mit Begeisterung aufnahm, dass die Großmeister Dr. Karsten Müller und Luis Engel sich im Jahr 2020 in ihrem Buch Spielertypen – Ihre Stärken und Schwächen genauer damit beschäftigt haben.
Müller und Engel greifen das von Hansen vorgestellte Konzept auf und erweitern es umfangreich anhand zahlreicher Beispiele aus dem Schaffen solcher Schwergewichte wie Tal, Kasparow, Carlsen, Kramnik, Anand usw.
Sobald ich erkannt habe, welchem Spielertyp ich angehöre, möchte ich natürlich wissen:
1. Welches sind die Stärken und Schwächen der jeweiligen Spielertypen?
2. Wie und gegen wen hebe ich meine Stärken besonders hervor bzw. wie gehe ich am besten mit meinen Schwächen um?
3. Wie spiele ich idealerweise gegen Vertreter anderer Stile oder auch gegen Vertreter des eigenen?
4. Wie konzentriere ich mich effektiver auf meine Stärken und werde insgesamt zu einem schachlichen „Allrounder“?
Es sind insbesondere diese Fragen, die Müller und Engel zum Herzstück ihrer Arbeit gemacht haben.
Nach dem großen Erfolg dieses Buches zum Modell der vier Spielertypen enthält dessen Nachfolger Spielertypen – das Testbuch nicht nur konkrete Aufgaben, sondern auch allgemeine schachliche Fragen wie:
Berechnen Sie lieber konkrete Varianten oder treffen Sie Ihre Entscheidungen eher intuitiv?
Haben Sie ein gutes Gespür für Harmonie und Koordination?
Diese Vorgehensweise ermöglicht es den Lesern, sich einem der Spielertypen zuzuordnen. Darauf aufbauend lassen sich eigene Stärken weiterentwickeln und mögliche Schwächen gezielt reduzieren, so dass man sich letztlich zu einem universelleren Spieler entwickeln kann.
Die Unterschiede der Spielstile kommen vorrangig in Stellungen mit vielen Zugmöglichkeiten zur Geltung. Allerdings spielen stilistische Überlegungen auch ganz wesentlich bei der Wahl der Eröffnung und des Mittelspiels bzw. des Stellungstyps eine Rolle, den man angesichts seines Stils möglichst herbeiführen sollte.
Das wohl bekannteste und möglicherweise auch beste Beispiel ist Kramniks Match-Strategie gegen Kasparow bei der Weltmeisterschaft in London 2000. Kramnik gelang es wie keinem anderen zuvor, Kasparow der Möglichkeit zu berauben, seine in Angriff und Initiative bestehenden Hauptstärken auszuspielen. Wie gelang ihm das? Indem er mit Schwarz die mit Damentausch verbundene 'Berliner Variante' der Spanischen Partie wählte, gegen die der Angriffsspieler Kasparow letztlich kein Mittel fand. Und da es ihm einfach nicht gelang, die ihm eigenen Stärken zum Tragen zu bringen, ging Kramniks exzellente Match-Strategie voll auf!
Ging es im ersten Buch Spielertypen vorrangig um eine Abgrenzung der vier Spielstile voneinander, sprechen sich die Autoren im Folgeband Spielertypen – das Testbuch deutlich für eine Förderung des eigenen Spielstils in Richtung einer größtmöglichen Universalität aus.
Trauen Sie sich: Lösen Sie die auf die vier Spielertypen zugeschnittenen Aufgaben und finden Sie heraus, wo sich Ihre Kernkompetenzen befinden und wie Sie am besten darauf aufbauen können!
Anmelden