Müller: Die Endspielkunst der Weltmeister Band 1 - von Steinitz bis Tal
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Mittels QR Codes bei jedem Diagramm können Sie die Stellung direkt auf Ihr Smartphone holen und diese analysieren oder nachspielen, je nach Bedarf. Das umständliche und fehlerbehaftete Eingeben per Hand entfällt und die analoge und digitale Welt gehen direkt ineinander über.
234 Seiten, gebunden, Joachim Beyer Verlag
Rezension von Thorsten Kammer im Februar 2022
Auf 226 Seiten stellt GM Karsten Müller die Endspielkunst der ersten acht Weltmeister vor. Dabei bezieht er die Terminologie der Spielertypen (siehe dazu Karsten Müller & Luis Engel: Spielertypen im Schach) mit ein, was eine zumindest für mich neue Sichtweise auf das wichtige, aber oft zu theoriebelastete Thema Endspiele wirft. Der Aufbau der Kapitel, die in der historischen Reihenfolge der Weltmeister angeordnet ist, ist identisch. Das erleichtert die Orientierung, so dass der Leser nach kurzer Zeit weiß, wo er Endspielanalysen (tlw. auch ganze Partien mit Schwerpunkt auf dem Übergang ins oder das Endspiel) sowie die Aufgaben (die sich mittels der im Buch vorhandenen QR-Codes auch auf Smartphones laden lassen) findet.
Das Buch ist kein Lesebuch, das man als Bettlektüre nutzen kann. Es ist ein sehr gut aufgebautes Schachbuch, das man von vorne nach hinten durcharbeiten sollte. Wenn man den Wunsch hat zwischen den Weltmeistern „zu springen“, so ist das möglich, aber dazu muss man die Endspielbegriffe, die Karsten Müller benutzt, kennen und verstanden haben. Diese sind so anschaulich erklärt, dass fortgeschrittene Spieler diese leicht verstehen und verinnerlichen können. In meiner Arbeit als Schachtrainer mit einer DWZ knapp unter 2.000 erleichtern es diese Fachbegriffe ungemein, wenn man sich an ihnen orientieren kann, ein Musterbeispiel ist der „Chamäleon-Läufer“.
Die Kapitel sind nach Weltmeistern geordnet, aber es gelingt Karsten Müller auch themenbezogene Zusammenhänge darzustellen. Das Thema Läuferpaar im Endspiel wurde aus meiner Sicht noch nie so gut beleuchtet, wie beim ersten Weltmeister Steinitz. Dabei sind es nicht nur die ausgesuchten Beispiele, die nachvollziehbaren Erläuterungen, sondern auch der Bezug zu den Spielertypen die es einfach machen als Leser motiviert zu bleiben und das Buch nicht gleicht wieder in die Ecke zu stellen. Ich habe nicht nur kurzfristig etwas aufgenommen, sondern auch verinnerlicht, so dass es auch die Qualität der eigenen Partien angehoben hat.
Noch ein Wort zu der Tiefe der Analysen. Für Vereinsspieler ist es die richtige Mischung, weder wird man mit Varianten überfrachtet noch wird man alleine gelassen. Es wäre allerdings schön gewesen, wenn das Ende der Varianten immer mit einer Stellungsbewertung abgeschlossen würde.
Gibt es Kritikpunkte? Ich denke es ist jammern auf höchstem Niveau, aber ich hätte mir persönlich ein Glossar zu den Endspielbegriffen gewünscht und auch eine Übersicht über die Themen (z.B. wie in Bent Larsens: Alle Figuren greifen an).
Zusammenfassend eine klare Kaufempfehlung für Vereinsspieler und ambitionierte Hobbyspieler, die in das Endspieluniversum eintauchen wollen. Vor allem für (Jugend-) Trainer gibt es eine Vielzahl von Anregungen, die man gut in das Training einbauen kann.
Rezension von Christian Koschetzki im November 2021
Die zwei Schachbücher „Die Endspielkunst der Weltmeister“ in der 1. Auflage 2021 von Dr. Karsten Müller erschienen in 2021 im Joachim Beyer Verlag.
Es werden dem Leser alle 16 Schachweltmeister seit 1886 bis heute zum Thema Endspiel nähergebracht.
Beide Bücher sind zu jedem der 16 Weltmeister in zwei Abschnitte gegliedert.
Der 1. Abschnitt handelt von den besonderen Fertigkeiten im Endspiel. Darüber hinaus werden mehrere Aufgaben präsentiert.
Der 2. Abschnitt handelt von den Klassikern in ihren Partien oder Endspiel, ebenfalls versehen mit mehreren Aufgaben.
Der Verfasser hält die Anreicherung der Endspiele mit zusätzlichen Aufgaben für nützlich und erforderlich, um so den geneigten Leser mitzunehmen und ihn zur aktiven Mitarbeit zu inspirieren.
Des Weiteren sind die Aufgabenstellungen und die Buchgliederungen durch zwei Vorbemerkungen hinsichtlich ihres Spielertypen benannt.
Dr. Karsten Müller greift damit auf sein 2020 erschienenes Beyer Buch „Spielertypen“ zusammen mit Luis Engel zurück, wo vier Spielertypen benannt werden, der Aktivspieler, der Theoretiker, der Reflektor und der Pragmatiker mit ihren jeweiligen Stärke- und Schwächeprofilen.
Wer die Bücher von Dr. Karsten Müller kennt, weiß, dass der Aufbau seiner Bücher in diesem „Stil“ erfolgt. Somit bleibt er seinem Stil treu.
Die Bücher können als Trainingsbücher gut verwendet werden. Der Leser erfährt alles Wesentliche über die 16 Weltmeister in diesem komplexen Themenbereich „Endspiel“.
Interessant erscheint der Aspekt, dass jeder Weltmeister unterschiedlich in seiner Spielweise war. So sind neben Taktikern und sehr guten Strategen auch Positionsspieler
Weltmeister Wilhelm Steinitz:
Der 1. Weltmeister hat bis zum heutigen Tage gültige Prinzipien der Strategie und des Positionsspiels formuliert, welche er in den Schachmagazinen „The Field“ und dem „Chess Magazine“ den Lesern preisgibt.
Seine Theorien basierten auf der Selbstverteidigung des Königs, dem Läuferpaar und der Kunst der Bauernführung aufgrund der Steinitzschen Restriktionsmethode.
Der Leser erhält zu zwei Beispielen einen Gesamteindruck zur Spiel- und Denkweise des 1. Weltmeisters, angereichert mit zahlreichen Partien und Aufgaben.
Weltmeister Emanuel Lasker:
Der 2. Weltmeister galt als Pragmatiker und Kämpfer, so wurde für ihn der Bereich der aktiven Turmverteidigung dargestellt.
Lasker legte mehr Wert auf das Endspiel als die Eröffnung, dort war er unübertroffen.
Weltmeister Jose Raul Capablanca
Der 3. Weltmeister war als Reflektor bekannt, der besonders in dem strategischen Endspiel mit aktivem König seine Spielstärken besaß.
Die gezeigten Partien behandeln nicht nur die technischen, sondern auch strategischen Endspiele.
Weltmeister Alexander Aljechin
Er war als Aktivspieler bekannt und wurde als Angriffsgenie bezeichnet. Daneben galt er als Virtuose in den Endspielen, die in einem Königsangriff endeten.
Weiterhin wird in dem Buch der Themenkomplex Umwandlung in eine neue Dame und Dame und Turm gegen Dame und Turm ihm gewidmet.
Weltmeister Max Euwe
Sein Spielstil entsprach dem Pragmatiker. Ein Augenmerk bildet die beherrschende Rolle von Freibauern im Endspiel.
Aufgezeigt werden u. a. Klassiker aus seinem WM-Kampf.
Weltmeister Michail Botwinnik
Er galt als Theoretiker. Sein Spielstil wird als logisch und systemhaft beschrieben. Daneben galt er als Strategieexperte.
Beispielhaft wird das Endspiel Turm und Springer gegen Turm und Springer aufgezeigt.
Weltmeister Wassili Smyslow
Er galt als Reflektor und als Endspielvirtuose.
Vorgestellt werden einige seiner tiefsinnigen Turmendspiele.
Weltmeister Michail Tal
Er galt als Hyperaktivspieler, er galt als glänzender Taktiker. Durch seine Angriffskunst hat er viele Schachspieler verzaubert.
Dr. Müller stellt ihn in seinen Spielen unter den Magischen Endspielen vor.
Weltmeister Tigran Petrosjan
Als Reflektor prägte er seinen eigenen Spielstil, der prophylaktischer Natur war.
Der Auswahl von Partien zu Qualitätsopfer und dem Spiel Turm und Springer gegen Turm und Läufer verleihen diesem Virtuosen seine weltmeisterlichen Stärken.
Weltmeister Boris Spasski
Als Aktivspieler bekannt werden in dem Buch Beispiele zum Thema Initiative zuteil. Sein Angriffskunst galt als sehr scharf, denen er auch bereits in der Eröffnung nach Initiative Rechnung trug.
Weltmeister Robert James Fischer
Dem spektakulärsten Weltmeister wird als Spielertypus Pragmatiker das Endspiel Turm und Läufer gegen Turm und Springer als Kapitel gewidmet.
Weltmeister Anatoli Karpow
Dem zurecht zugesagten Spielertypus Reflektor werden seine Vorzugsthemen Figurendominanz und Restriktionsmethode anhand von Beispielen vorgestellt.
Weltmeister Garri Kasparow
Der neben Emanuel Lasker längste Weltmeister der Welt galt als Angriffsspieler. Seine Partiebeispiele beziehen sich zurecht auf den aktiven Part im Endspiel sowie den Königsangriff.
Weltmeister Wladimir Kramnik
Er gehört dem Spielertypus Theoretiker an. Seine Feinheiten lagen in strategischen Endspielen.
Umso interessanter die Partienauswahl Powerplay auf einem Felder- oder Farbkomplex, in den die Schwächen des Gegners ausgenutzt werden.
Weltmeister Viswanathan Anand
Er gilt als Aktivspieler, so dass Partiebeispiele zum Thema „Aktivität und Initiative“ ausgewählt wurde.
Weltmeister Magnus Carlsen
Als Spielertyp ist er als Reflektor eingeordnet.
Als Endspielspezialthemen wurden gleichfarbige Turm und Läufer gegen Turm und Läufer ausgewählt, wo die Koordination der Figuren von entscheidender Bedeutung ist.
Fazit:
Die beiden Bücher sind sehr zu empfehlen, da sie die Spielertypen der 16 Weltmeister anhand ihrer Endspielqualitäten beurteilen.
Bislang sind in dieser Kombination keine weiteren Bücher auf dem Markt, die die Weltmeister aus diesem Glanz beleuchten.
Gerade für einen schnellen Einstieg und als Trainingsmethode eignen sich die beiden Bände, die mit zahlreichen Beispielen facettiert sind.
Dr. Müller hat auf eine einzigartige und sehenswerte Weise es geschafft, dass man sich als Leser wie der Weltmeister fühlt. Seine enormen Fachkenntnisse und sein Verständnis für die Partienauswahl und die Aufgaben führen für jeden Spieler unterschiedlichster Spielstärke zu einem Mehrwert.
Rezension von Christian Hoethe im August 2021
"Der renommierte Endspiel-Experte GM Karsten Müller widmet sich in seiner neuen zweibändigen Reihe der "Endspielkunst der Weltmeister" und deren individuellen Endspiel-Vorlieben und besonderen -stärken.
Dabei befasst sich der erste Band detailliert zum Beispiel mit Steinitz´ gekonnten Umgang mit dem Läuferpaar, Laskers Verteidigungskunst, Capablancas Vorliebe für den Einsatz des Königs, Aljechins Angriffskunst im Endspiel, Euwes Nutzung von Freibauern, Botwinniks eiserner Logik und Strategie, Smyslows hochpräzise Behandlung von Turmendspielen und Tals Endspiel-Magie.
Im zweiten Band konzentriert sich Müller dann auf Petrosians Gespür für den richtigen Abtausch, Spasskis Spiel mit der Initiative, Fischers Präzision im Endspiel Turm und Läufer gegen Turm und Springer, Karpows Dominanz und Restriktion, Kasparows Angriffe gegen den gegnerischen König, Kramniks Powerplay, Anands Druckspiel sowie Carlsens Technik in Endspielen mit Türmen und gleichfarbigen Läufern.
Was mir in der Darstellung dabei besonders gefallen hat, ist, dass jeder Weltmeister eine Kurzvorstellung inklusive Vita und seiner wichtigsten schachlichen Meilensteine bekommt. Anschließend erfolgt die Einteilung des jeweiligen Weltmeisters in den "Spielertyp", sprich in "Aktivspieler", "Theoretiker", "Reflektoren" und "Pragmatiker". Eine Erklärung dieser Spielertypen findet sich gleich hinter dem Geleitwort von GM Mihail Marin.
Wer sich genauer mit dieser interessanten Thematik beschäftigen möchte, findet in dem Buch "Spielertypen" von Müller und Engel, das ich an anderer Stelle lobend rezensierte, umfangreichen Input. Großmeister Lars Bo Hansen war übrigens der erste, der sich schachliterarisch mit dieser Thematik in seinem 2005 erschienenen Buch "Foundations of Chess Strategy" beschäftigte.
Hochgradig interessant für mich ist insbesondere die Endspielstärke derjenigen Weltmeister, die ich noch während ihrer aktiven Zeit miterleben durfte. Wusste ich doch um die Endspielstärke von Capablanca, Petrosian, Fischer, Karpow und natürlich Carlsen und kannte ich das eine oder andere Beispiel von Steinitz, und Smyslow aus Endspielbüchern und Biographien, so wurde ich an anderer Stelle vielfach überrascht.
Besonders mein früheres Idol Kasparow ist nun nicht gerade bekannt für filigrane Endspieltechnik, sondern durch seine Eröffnungsbehandlung, vehemmente Mittelspielkombinationen und Angriffsspiel. Natürlich wird man ohne starkes Endspielkönnen nicht Weltmeister, aber wie stark Kasparow in dieser Partiephase wirklich war - wenn seine Gegner es denn erreichten! - das wurde mir erst durch dieses Buch bewusst. Müllers Partiebeispiele von Kasparow gegen Lutz aus Bled 2002, Polgar aus Dos Hermanas 1996 sowie gegen Kamsky in New York 1994 haben mir besonders imponiert.
Ganz ähnlich ging es mir mit den Beispielen zu Lasker, Euwe, Tal und besonders Spasski übrigens! Natürlich war letzterer Ende der 50er und in den 60er Jahren ein schachliches Energiebündel, aber die Partiebeispiele gegen den Endspielexperten Kortschnoi aus Tiflis 1959, gegen Cramling aus London 1996, Ivanovic aus Niksic 1983 und Judit Polgar aus Budapest 1993 sind wahrhaftig faszinierend!
Selbiges trifft auf die meisten vorgestellten Beispiele zu, von denen mich persönlich neben den genannten besonders die Partien von Capablanca, Lasker, Smyslow sowie Karpow und natürlich dem modernen Endspiel-Mozart Carlsen gefesselt haben!
So beinhalten beide Bände eine Fülle wunderschön instruktiver Endspiel-Behandlungen für das eigene Studium und die eigene Endspiel-Datenbank, wie man sie sich besser kaum wünschen kann.
Rudolf Spielmann wird gerne mit dem folgenden Satz zitiert: "Spiele die Eröffnung wie ein Buch, das Mittelspiel wie ein Magier und das Endspiel wie eine Maschine".
Ich gebe zu, dass mich diese Aussage lange Zeit im Hinblick auf das Endspiel deprimiert hat, klang es für mich doch so als gäbe es im Endspiel wenig Möglichkeit, seinen individuellen "Touch" einzubringen. Verstärkt wurde dieses Gefühl durch eine Aussage Kotows, der schrieb, manche Stellungen müsse jeder Spieler auf dieselbe Weise spielen.
Ich bin sehr froh, dass Großmeister Karsten Müller einmal mehr eine Lanze für die Individualität auch im Endspiel gebrochen hat!
Schließen möchte ich diese Rezension mit einem Zitat von Großmeister Mihail Marin aus dem Geleitwort: "Das bloße Lesen von Schachbüchern macht nicht automatisch stärker. Auch wenn man diese während des Schlafs unters Kissen legt, wird dieser Effekt nicht erreicht. Vielmehr sollte ein gutes Schachbuch dem Leser einen zuverlässigen Ausgangspunkt für eigenständige Denkarbeit und eigenständiges Analysieren bieten."
Genau dies ist Karsten Müller einmal mehr gelungen!"
Rezension von Jörg Palitzsch im August 2021
Autor Karsten Müller sagte 2015 in einem Interview, Endspiele würden schon ein bisschen unterschätzt. In der Regel befasse man sich mit Eröffnungen und kombinatorischen Wendungen. Für einen normalen Turnierspieler komme danach nicht mehr viel.In seinem umfangreichen zweibändigen Werk „Die Endspielkunst der Weltmeister“ wirkt er mit allem, was die Schachwelt aufbietet, gegen eine Verfestigung dieser Einstellung. Der Autor greift dabei nicht auf das Mittelmaß zurück, sondern hat sich an den Weltmeistern abgearbeitet. Im ersten Band von Wilhelm Steinitz bis Michail Tal, im zweiten Band von Tigran Petrosjan bis Magnus Carlsen. Müller ist der Fülle an Informationen mit System begegnet. Jeder Weltmeister hat ein Kapitel erhalten, vorangestellt sind ein ganzseitiges Foto und ein kurzer Einleitungstext. Dies macht es dem Suchenden leicht, verleiht den beiden Büchern jedoch auch ein wenig den Anstrich eines Nachschlagewerkes.
Taucht man dann tiefer in die Thematik Endspiele ein, wird dieser Eindruck schnell weggewischt. Zu individuell sind die Weltmeister, jeder in seiner Zeit verhaftet, jeder mit ganz eigenen Vorlieben und Fähigkeiten in einer der schwierigsten Spielphasen, über die sich schon unzählige Schachspieler Gedanken gemacht haben. Etwa der Österreicher Rudolf Spielmann, der eine Anleitung aufstellte. „Spiele die Eröffnung wie ein Buch, das Mittelspiel wie ein Zauberer und das Endspiel wie eine Maschine.“ Oder wie Stephan Gerzadowicz, der einen fast philosophischen Grundgedanken prägte, „Aus Eröffnungen lernt man Eröffnungen, aus dem Endspiel lernt man Schach.“ Nur – wenn es so einfach wäre.
Müllers Bücher zeigen dann auch sehr schnell, wie unterschiedlich die Weltmeister veranlagt sind und teilt sie in vier Spieltypen ein. In Aktivspieler wie Alexander Aljechin und Viswanathan Anand, Theoretiker wie Wilhelm Steinitz und Wladimir Kramnik, die Reflektoren José Rául Capablanca und Magnus Carlsen, sowie die Pragmatiker, zu denen der Autor Bobby Fischer und Emanuel Lasker zählt. Obwohl diese Einteilung eine Sequenzierung darstellt, nimmt das Endspiel einen privilegierten Platz ein, so der rumänische Großmeister und Endspielexperte Mihail Marin in seinem Geleitwort zu beiden Bänden. Im Endspiel sollte man Marin zufolge analytische Ausgrabungen vornehmen, wenn man kleine Teile der universellen schachlichen Wahrheit entdecken will, denn angesichts des reduzierten Figurenbestandes könne man sich auf die Ergebnisse der eigene Analyse am ehesten verlassen.
Exakt an diesem Punkt setzt der Autor an und nimmt den Leser ganz praktisch an die Hand, um mit ihm in die große Welt der figurenreduzierten Endspiele einzutreten. Anhand von einzelnen Partien kann man lernen, wie Steinitz sein Läuferpaar einsetzte, wie das Königsspiel von Capablanca gemeistert wurde und wie präzise Fischer im Endspiel agierte. Ergänzend dazu gibt es zu jeder Partie einen QR-Code, der eine weitere Vertiefung ermöglicht. Um nicht nur nachzuspielen sind an jedem Kapitelende Aufgaben gestellt – ebenfalls mit einem QR-Code versehen –, die die spielerischen Stärken eines jeden Weltmeisters aufgreifen. Bei Max Euwe ist es der Freibauer, bei Wassili Smyslow die Präzision und bei Boris Spasski seine meisterliche Initiative. Abgerundet wird dies mit Schach-Klassikern von Anatoli Karpow, Garri Kasparow und Magnus Carlsen, bei dem der Autor das Endspiel Turm und Läufer gegen Turm und Läufer mit gleichfarbigen Läufern ausgewählt hat. Apropos Carlsen: Karsten Müller ist sich sicher, da der Norweger ein typischer Reflektor-Spieltyp ist, dass das Ende seiner Regentschaft zum aktuellen Zeitpunkt nicht absehbar ist.
Mit den nachspielbaren Partien sowie den Aufgaben, denen sich die Lösungen unmittelbar anschließen, fügen sich an dieser Stelle die Ansprüche, Lern- und Trainingsbuch zu sein zusammen. Wobei man anhand der Fülle von Beispielen durchaus die Qual der Wahl hat. Gleichwohl kann man sich als Schachspieler an jedem der einzelnen Weltmeister orientieren, die in punkto Endspiel auch für jeden Spieler etwas bereit halten. So können die eigenen Schwächen ausgeglichen, im besten Fall zu einer Stärke umgemünzt werden.
Im Endspiel, so Mihail Marin, gehe es weniger um abstrakte Themen, und da in dieser Phase viele Partien entschieden werden, bieten die beiden Bände Spielern aller Klassen einen wesentlichen Lern- und Trainingsbereich. Will man sich nicht auf ein Training einlassen, bieten sie auch genügend Stoff, um sich mit den Endspielsituationen der Weltmeister einfach nur gut zu unterhalten.
Fazit: Die vielfältigen Möglichkeiten der Bände „Die Endspielkunst der Weltmeister“, unter anderem mit der Einsatzfähigkeit von QR-Codes, macht sie auch für jüngere Schachspieler interessant. Von Weltmeistern lernen, heißt siegen lernen.
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6. September 2021 11:11
Uneingeschränkte Leseempfehlung
Die Weltmeister im Schach waren trotz unterschiedlicher Spielstile auch Virtuosen im Endspiel und schufen dort zeitlose und instruktive Kunstwerke auf allerhöchstem Niveau. Der bekannte Großmeister und ausgewiesene Endspielexperte Karsten Müller, unser "Praeceptor Germaniae Ludi Finis", widmet sich in seiner neuesten Publikation diesem Thema. Wer ihn kennt, weiß, dass er die Themen sachlich und mathematisch höchst präzise, aber dennoch kurzweilig und unterhaltsam auf dem Punkt bringt. Das Werk bietet also zweierlei: biografisches Material kombiniert mit schachlich hochwertigen Inhalten. Zahlreiche, bisweilen auch anspruchsvolle Aufgaben zum Selbstlösen wollen den Leser aus der Komfortzone locken, was bekanntermaßen der Grundstein für ein erfolgreiches Training ist, worauf auch Mihail Marin im Geleitwort hinweist. Nicht wenige Schachfreunde bevorzugen außerdem Lehrbeispiele aus echten Partien mit entsprechendem praktischem kompetitivem Kontext, im Gegensatz zu trockenen theoretischen Studien oder Problemen. Somit kommen sowohl die historisch interessierten Genussleser auf ihre Kosten als auch die lernwilligen Aspiranten, die nach höheren Weihen streben. Endspiele der Weltmeister Band 2 - Von Steinitz bis Spassky Geniessen Sie Capablancas feine Technik, Tals Magie, Laskers Kampfgeist, Petrosians Verteidigungskunst, Smyslovs Gefühl für Harmonie sowie Aljechins und Spasskys Angriffskunst. Mehr... Die zwei gebundenen Bände aus dem Joachim Beyer Verlag hinterlassen einen wertigen Eindruck. Ansprechende Haptik, klarer Schriftsatz und saubere Diagramme, Lesebändchen und vor allem die Fehlerfreiheit sorgen für eine angenehme Usability. Ein Novum, welches hoffentlich Schule macht: alle Partien und Fragmente beginnen mit einem QR-Code, das heißt mit Smartphone oder Tablet lassen sich die Analysen auf dem ChessBase-Server in einer nachspielbaren Form direkt aufrufen. Neben vielen Klassikern findet man auch unbekanntere Bravourstücke der 16 in der Schachwelt anerkannten Weltmeister. Ihr jeweiliger charakteristischer Stil wird klassifiziert und spiegelt sich oft auch in der letzten Phase der Partie wider, der Autor arbeitet diesen Zusammenhang schön heraus. Die Diskussionen der individuellen Stile sind seit jeher ein Dauerbrenner in der Schachszene. Eine signifikante Anzahl der Beispiele stammt direkt aus WM-Duellen beziehungsweise gehört zu der Kategorie Weltmeister gegen Ex-Weltmeister. Wer kennt nicht das Topturnier zu New York im Jahre 1924 mit dem epischen Kampf Lasker gegen Lasker oder in der gleichen Runde Capablancas berühmtes Turmendspiel gegen Tartakower, hier analysiert mit modernem Verdikt. Weitere Schmankerl zum Genießen und Staunen sind die heutige Evaluation von Fischers schockierendem Lxh2 im Jahre 1972, Karpovs brillantem Sg2 gegen Kasparov oder von Letzterem die berühmten Turmzüge gegen Anand wiederum im New York im World Trade Center im Jahre 1995. Apropos Fischer, das sogenannte Fischer-Endspiel (Turm-Läufer gegen Turm-Springer mit Bauern auf beiden Seiten), nimmt einen gebührenden Platz ein, denn es ist auch in der Amateurpraxis häufig anzutreffen und es ist daher wichtig für jedermann, die Analysen zu studieren und daraus seine Schlüsse zu ziehen. Auch erfahrene Schachspieler werden noch weitere verborgene Perlen finden und lernen neue Begrifflichkeiten kennen, mir beispielsweise war der Terminus des „grünen Läufers“ bis dato noch nicht untergekommen. Fazit: Ich gebe eine uneingeschränkte Leseempfehlung sowohl für fortgeschrittene Anfänger als auch für Experten ab. Die beiden Bände sind kein systematisches Lehrbuch und wollen es auch gar nicht sein, dennoch werden vielerlei praxisrelevante Endspiele auf instruktive und unterhaltsame Art behandelt.
24. August 2021 11:23
Das sind 2 phantastische Bücher
Gratuliere ! Das sind 2 phantastische Bücher, die vermutlich einzigartig sind in der Behandlung des Themas - zugleich umfassend in der Darstellung und detailliert in den Analysen. Sehr interessant finde ich auch den Bezug zu den "Spielertypen", die die unterschiedliche Behandlung des Endspiels zusätzlich verdeutlichen.